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Ein mathematischer Blick auf den DTTB-Pokal

An diesem Wochenende findet der DTTB-Pokal in Stuttgart statt. Gestern schon standen die Viertelfinals auf dem Programm, heute gibt es quasi ein Final Four, am Mittag (ab 13 Uhr) die Halbfinals, am Nachmittag (ab 16 Uhr) dann schon das Finale. Ich bin kein Tischtennis-Experte, weiß nicht ob Bojans Tokic eine bessere Vorhand hat als Constantin Cioti, weiß nicht, ob Joao Monteiro besser aufschlägt als Jens Lundqvist. Aber es gibt da etwas, dass im Vorfeld auch helfen kann in der Einschätzung: der sog. TTR-Wert. Da ich selbst Tischtennis spiele, schaue ich meinen eigenen Wert auch ständig selbst an, hatte bislang aber keine Ahnung, wie er sich genau entwickelt. Das will ich aber wissen. Da es aber ohne konkrete Zahlen viel schwerer und langweilig ist, nutze ich das heute anstehende Turnier aber mal am praktischen Beispiel: dem ersten Halbfinale des DTTB-Pokals.

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Quelle: Flickr-User t0fugurl

Quelle: Flickr-User t0fugurl

1. FC Saarbrücken TT – SV Werder Bremen

1-2: Bojans Tokic (2519) – Jens Lundqvist (2432)
2-1: Joao Monteiro (2538) – Adrian Crisan (2483)
3-3: Bastian Steger (2535) – Constantin Cioti (2306)
1-1: Bojans Tokic (2519) – Adrian Crisan (2483)
2-2: Joao Monteiro (2538) – Jens Lundqvist (2432)

In Klammern stehen die jeweiligen TTR-Werte. Nun sagen diese Zahlen ja erstmal nur, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Werder Bremen. In jedem Duell sind sie, geht man nach den TTR-Werten, in der Favoritenstellung. Der Abstand an sich sagt aber noch gar nichts aus, weiß man doch nichts über die Gewichtung. Hierfür nutze ich jetzt die TTR-Formel.

Da man diese hier nur schwer darstellen kann in einem Blog, mit all seinen Potenzen und Bruchstrichen (okay, so viele sind es gar nicht), gehe ich einfach mal andersherum vor, und betrachte das, was wichtig ist: Der Unterschied zwischen den beiden TTR-Werten. Der Rest bleibt ja in jeder Rechnung konstant. Nehmen wir also nun das Spiel von Tokic gegen Lundqvist:

2519-2432 = 87.

Dieser wird nun durch 150 geteilt. Fragt mich nicht warum, aber die Mathematiker werden sich etwas dabei gedacht haben.

87/150 = 0,58.

Das war’s eigentlich schon. Der Rest immer gleich in dieser Formel. Setzt man das nun ein, erhält man folgende Siegwahrscheinlichkeit für Spieler B, in diesem Fall also Jens Lundqvist: 0,208 Prozent.

Man hätte es auch für Tokic rechnen können, der einzige Unterschied wären negative Vorzeichen gewesen, weil:

2432-2519 = -87

und in der Folge dann

-87/150 = -0,58.

Viel einfacher für die Wahrscheinlichkeit für den Sieg von Spieler A (Tokic) ist aber natürlich: 1 – 0,208 Prozent = 0,792 Prozent. Zum rechnen würde ich aber immer die größere Zahl von der kleineren abziehen, dann muss man nicht mit negativen Zahlen arbeiten. Ich als Nicht-Mathematiker arbeite immer sehr ungern mit negativen Zahlen.

Und so können wir jetzt die einzelnen Wahrscheinlichkeiten für die Duelle ausrechnen:

1-2: Tokic (2519) – Lundqvist (2432) – Siegchance Tokic: 79,2 Prozent;
Quote Tokic: 1,26
2-1: Monteiro (2538) – Crisan (2483) – Siegchance Monteiro: 70,0 Prozent;
Quote Monteiro: 1,43
3-3: Steger (2535) – Cioti (2306) – Siegchance Steger: 97,1 Prozent;
Quote Steger: 1,03
1-1: Tokic (2519) – Crisan (2483) – Siegchance Tokic: 63,5 Prozent;
Quote Tokic: 1,57
2-2: Monteiro (2538) – Lundqvist (2432) – Siegchance Monteiro: 83,6 Prozent;
Quote Monteiro: 1,20

Schön. Jetzt haben wir also die einzelnen Siegwahrscheinlichkeiten ausgerechnet. Die Quote bekommt man einfach heraus, indem man rechnet: 1/Siegchance. Man könnte sie jetzt multiplizieren, um auf die Wahrscheinlichkeit für einen 3:0-Sieg von Saarbrücken zu kommen: 1,26 * 1,43 * 1,03 = 1,85. Es gibt also, auf Basis des TTR-Wertes, eine Chance von etwa 54 Prozent, dass Saarbrücken das erste Halbfinale heute locker-flockig mit 3:0 gewinnt.

Was mich überrascht hat: Dass die Formel derart einfach ist. Und nicht zwischen Spielstärken unterscheidet. Man kann die Frage stellen: Sind diese 87 Punkte aus unserem Tokic-Beispiel und 87 Punkte Unterschied bei meinem eigenen Wert (TTR-Wert: 1590, jaja, ich muss mal wieder trainieren gehen) gleichbedeutend? Der eine Spieler hat 2519 Punkte, der andere gerade einmal 1590? Ich weiß es nicht. Mein Gefühl sagt, mir dass 87 Punkte Unterschied im zweiten Beispiel bedeutender sind. Aber vielleicht bin ich da auch nicht Mathematiker genug. Denn  jeder Spieler startet ja bei einem Ausgangswert, der etwa 800 ist. Um das zu testen, müsste man quasi mal genauer untersuchen, wie es in der Realität aussieht. Da reicht es natürlich nicht, wenn der Sportsaal-Schreiber seine eigenen Ergebnisse untersucht, denn hier kommen natürlich andere Faktoren mit rein (Zufall, besondere Fähigkeiten als klarer Außenseiter, Verletzungen, etc.). Machen wir’s kurz: Man bräuchte eine große Datenbasis, die das untersucht. Darauf habe ich aber keine Lust. Ich wollte nur verstehen, wie das genau funktioniert mit den Formeln. Das ist mir hoffentlich gelungen.

Zum Abschluss will ich meine Bedenken auch noch praktisch aufzeigen. Denn Verletzungen oder Match-Up werden von einem statischen Wert wie dem TTR-Wert nicht erfasst. Dazu reicht ein einfacher Vergleich der TTR-Wettquoten mit den Quoten beim Wettanbieter Bwin. Und die sollten eigentlich in etwa wissen was sie tun.

1-2: Tokic – Lundqvist Quote Tokic: 1,26 <–> Quote Bwin: 1,45
2-1: Monteiro – Crisan Quote Monteiro: 1,43 <–> Quote Bwin: 1,65
3-3: Steger – Cioti Quote Steger: 1,03 <–> Quote Bwin: 1,28
1-1: Tokic – Crisan Quote Tokic: 1,57 <–> Quote Bwin: 1,65
2-2: Monteiro – Lundqvist Quote Monteiro: 1,20 <–> Quote Bwin:  1,45

Was fällt auf? Die Quoten auf Basis des TTR-Wertes sind in jedem Beispiel niedriger. Natürlich ist die Datenmenge zu klein, aber man könnte sich fragen: Begünstigt der TTR-Wert die Favoriten? Könnte man auch noch für das zweite Halbfinale machen, aber ich möchte diesen Beitrag nicht überfrachten (und meine Zeit auch nicht).

Aber ein letzter Punkt noch: Besonders auffällig ist bei dem Vergleich der Quoten der große Unterschied beim Spiel von Bastian Steger und Constantin Cioti. Die Quote 1,03 auf Basis des TTR-Wertes spricht Steger hier eine Siegwahrscheinlichkeit von 97,1 Prozent zu. Nimmt man die Quote von Bwin, kommt man auf eine Siegwahrscheinlichkeit (1/Quote) von 78,1 Prozent. Das sind Wahrscheinlichkeits-Welten, die ungefähr so weit auseinander liegen wie die Erde und die Sonne. Aber wie kommt das? Hier hilft ein Blick in die TTR-Bilanz von Cionti. Die wichtigsten Fakten:

  • Cioti war früher bis 2007 im Bereich von über 2400 Punkten, also deutlich höher als heute
  • Das liegt vor allem an Abstufungen wegen Inaktivität, durch die er 100 Punkte verloren hat. Den Grund vernachlässigen wir jetzt einfach mal.
  • Er hat in dieser Saison nur zwei Pokalspiele bestritten, die er prompt gewann als klarer Außenseiter (eins davon gestern gegen Ochsenhausen). So stieg sein TTR-Wert immerhin um 36 Punkte an.

Solche Dinge wie die wahre Spielstärke kann der TTR-Wert gar nicht erfassen. Das ist aber gar keine Kritik, sondern nur eine Feststellung. Denn das kann kein Wert. So etwas lässt sich nicht in Zahlen fassen. Prinzipiell finde ich, dass der DTTB inzwischen in den Aufstellungen mit diesem Wert arbeitet nämlich sehr gut. Früher wurde jedes Spiel gleichwertig erfasst, egal ob man gegen den klaren Ligafavoriten spielte oder gegen einen Abstiegskandidaten. Jetzt werden die Wahrscheinlichkeiten jedes einzelnen Spiels erfasst.

Und nun viel Spaß bei den Halbfinals des DTTB-Pokals (live auf Spobox.tv). Auch wenn die Spannung beim Spiel Saarbrücken gegen Bremen nach diesem Beitrag wahrscheinlich nicht gestiegen ist.


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